Die Kunst der kleinen Buchstaben: Beipackzettel drucken

Für den Druck von Beipackzetteln braucht es viel Fachwissen. Dieser Artikel schaut Experten in einem spezialisierten Druckhaus über die Schulter.
Egal welche Medikamentenschachtel man aufmacht, eines ist sicher: Den Beipackzettel, einmal entfaltet, bekommt man nicht mehr ordentlich zurück in die Packung gesteckt. Gibt es einen Trick? Nein, lacht Ann-Kathrin Engel. „Tatsächlich werden die meisten Beipackzettel nach dem Öffnen der Schachtel entsorgt.“ Sie muss es wissen, denn sie ist Geschäftsleitung des Druckhaus Engel und führt das auf Packungsbeilagen und Gebrauchsanweisungen spezialisierte Unternehmen in der vierten Generation.
Anfang der 2010er Jahre erfolgte die Spezialisierung, seitdem erzielt der Familienbetrieb aus Bad Schwartau etwa 80% seines Umsatzes mit Packungsbeilagen und Gebrauchsanweisungen, die hauptsächlich im Bogen- und Rollenoffset gedruckt werden. Für Kleinauflagen und die Produktentwicklung steht außerdem ein S/W-Digitaldrucker von Canon sowie ein weiterer Vierfarb-Drucker mit Bannereinzug bereit.
BILDUNTERSCHRIFT: Das Druckhaus Engel in Bad Schwartau spezialisierte sich vor etwa einem Jahrzehnt auf den Druck von Beipackzetteln. Foto: Druckhaus Engel
Kleines Blatt, viele Vorschriften: Der Beipackzettel
Die meisten Packungsbeilagen werden für die Pharma-Industrie gebraucht. Dabei geht es nicht nur um Beipackzettel für Medikamente. Sondern auch um Instruktionen, die etwa medizinischen Geräten und anderen Produkten für den Alltag im Krankenhaus und in Arztpraxen gebraucht werden.
Auch für Gebrauchsanweisungen bzw. Betriebsanleitungen für private Haushalte ist der Einsatz gesetzlich geregelt. In Deutschland sind etwa die Maschinenrichtlinie sowie das Produktsicherheitsgesetz maßgeblich. Auch andere erklärungsbedürftige Waren benötigen oftmals eine Gebrauchsanweisung in der Landessprache. So kommt es, dass selbst Schnuller oder Teekannen heute nicht mehr ohne Packungsbeilage verkauft werden.
Für die „Packungsbeilagen nach dem Arzneimittelgesetz“, also den klassischen Beipackzettel, gibt es umfangreiche gesetzliche Vorschriften auf nationaler Ebene, aber auch durch die EU. Hinzu kommen in der Regel Vorgaben der Privatwirtschaft. Denn Pharmaunternehmen verlangen umfangreiche Zertifizierungen von ihren Zulieferern. „Zwei, drei Arbeitstage“, so Engel, können so ein Audit schon mal dauern. Außerdem müssen gängige Standards wie die ISO-Qualitätsnorm 9001 erfüllt werden. Das Unternehmen ist zudem als Verarbeiter FSC-zertifiziert.
Auch in puncto Sicherheit und Qualitätsüberwachung muss man bei Packungsbeilagen und Gebrauchsanweisungen noch sorgfältiger als beim Akzidenzdruck arbeiten. Schließlich könnten nicht lesbare oder ungünstig beschnittene Blätter zu Fehlinformationen führen, die Menschenleben gefährden. Im Druckhaus Engel kommen dazu, wie bei den meisten Mitbewerbern, immer stärker automatische Kamerasysteme zum Einsatz.
BILDUNTERSCHRIFT: Eine Packungsbeilagen nach dem Arzneimittelgesetz kann beim Druckhaus Engel bis zu 13-mal gefalzt werden. Foto: Druckhaus Engel
Die typische Packungsbeilage im Fokus
Der typische Auftrag für eine Packungsbeilagen nach dem Arzneimittelgesetz wird als PDF angeliefert und einem üblichen Flight-check unterzogen. In der EU sind Beipackzettel meist etwa 65-70 cm breit und rund einen Meter lang, gesetzlich gibt es dafür aber keine Grenze. Die Maximalgröße für Beipackzettel im Druckhaus Engel ist 72 x 104 cm.
Packungsbeilagen werden für bessere Lesbarkeit in mehreren Spalten gedruckt. Die spezialisierten Designer achten darauf, dass die Abstände zwischen den Spalten mit dem späteren Falz zusammenfallen, sodass der Text möglichst nicht geknickt und dadurch schwerer lesbar wird.
Der Druck von Beipackzetteln erfolgt auf speziellem Pharma-Dünndruckpapier mit Grammaturen zwischen 40 und 50 g/qm. Durch eine Spezialbeschichtung wird sichergestellt, dass trotz des geringen Flächengewicht der Druck nicht durchschlägt.
Viele Kunden, vor allem aus der Pharmabranche, legen dabei großen Wert auf Nachhaltigkeit. Der Druck auf FSC-zertifizierten Papier ist bei Beipackzetteln Standard. Auch dürfen in der Regel nur wasserbasierte Druckfarben mit vollständigen Sicherheitsdatenblättern zum Einsatz kommen. Bei kritischen Anwendungen, also etwa, wenn der Druck mit dem Produkt selbst in Berührung kommt, steigt man im Druckhaus Engel auf Spezialfarben für Lebensmittel oder Spielzeug um.
Weltmeister im Falzen
Bei Packungsbeilagen und Gebrauchsanweisungen kommt es neben dem Druck vor allem auf die Weiterverarbeitung an. Insgesamt sieben Falzmaschinen, darunter zwei spezielle Pharma-Modelle, stehen im Unternehmen. Das ermöglich bis zu 13 Brüche mit einer minimalen Seitenhöhe von 15 mm.
Das ist kaum mehr als ein Fingerbreit, und entsprechend knifflig herzustellen, denn das Papier darf dabei nicht brechen oder an den Falzkanten gequetscht werden. Trotzdem soll das gefalzte Paket möglichst plan liegen. Auf keinen Fall darf das gefalzte Päckchen wieder aufgehen. Ohne hochspezialisiertes Fachpersonal ist das kaum möglich.
Für Packungsbeilagen nach dem Arzneimittelgesetz haben sich vier Verarbeitungsformen etabliert:
- Plano
- Vorgefalzt
- Endgefalzt
- Outsert.
Bei „plano“, also ungefalzten, sowie vorgefalzten Packungsbeilagen erfolgt die Anlieferung nach den Vorgaben der Verpackungslinie des Kunden. Je nach Produkt werden die Beipackzettel also dort noch kleiner zusammengelegt.
Endgefalzte und Outsert-Produkte werden als kleines, kompaktes Paket bei der Endverpackung manuell oder automatisch hinzugefügt. Weil moderne Hochgeschwindigkeitsanlagen das leichte Papier aufblättern könnten, hat sich das Druckhaus Engel seit ein paar Jahren vor allem auf Outsert-Produkte konzentriert. Hier sorgt ein Klebepunkt dafür, dass der Beipackzettel stets seine Form behält.
Der Endverbraucher muss die Packungsbeilage aber problemlos öffnen können, zudem darf der Klebepunkt keine wichtigen Informationen unleserlich machen. „Beipackzettel und Gebrauchsanweisungen sind fast immer nur Text mit wenigen Bildern, außerdem meist reiner Schwarzweißdruck. Das klingt nicht sehr schwierig, aber es gibt trotzdem viele Details, auf die man achten muss“, erklärt die Geschäftsleiterin.
BILDUNTERSCHRIFT: Spezialität im Druckhaus Engel: Outsert-Verarbeitung von Packungsbeilagen. Dabei wird ein Klebepunkt aufgebracht. Foto: Druckhaus Engel
Geschäftschance Packungsbeilage
Heute werden Packungsbeilagen und Gebrauchsanweisungen zumeist noch in Großauflagen analog gedruckt. Unterschiedliche Varianten gibt es in der Regel höchstens grob nach Wirtschaftsräumen unterteilt. Zwar wären angepasste Auflagen im Analog- oder Digitaldruck jederzeit möglich, aber „die Verpackungslinien von Massengütern lassen sich nicht so schnell umstellen“, gibt Engel zu bedenken.
Das ist auch der Grund, warum man etwa in den Verpackungen elektronischen Geräten oft Gebrauchsanweisungen in mehreren Sprachen findet. „Der Kunde bestimmt hier das Tempo“, betont sie. In puncto Nachhaltigkeit sind die Engel-Kunden dagegen schon weiter. Denn die Option, den Druck durch Ausgleichszertifikate klimaneutral zu stellen, wird beim Druckhaus Engel immer häufiger gebucht. „Der Druck von Beipackzetteln und ähnlichen Produkten ist ein sehr spannender Bereich“, freut sich die Managerin, und sie ist sich sicher: da ist auch in Zukunft noch „viel Musik drin“.
Sich als Unternehmen in dieser sehr spezielle Drucknische einzurichten, sei allerdings langwierig und detailreich: auch das Druckhaus Engel hat dazu mehrere Jahre benötigt.
Sind Sie daran interessiert, unserer Community beizutreten?
Erkundigen Sie sich noch heute über den Beitritt zu Ihrer örtlichen FESPA-Vereinigung oder FESPA Direct
Jüngste Neuigkeiten

Die Absolventen der Green Grads EPSON cco-cextile Challenge stellen ihre Talente unter Beweis
Als sie während der Great Northern Contemporary Craft Fair in Manchesters historischen Victoria Baths ausstellten, wurden die Absolventen der Epson Eco-Textile Challenge begeistert begrüßt.

Neil Felton über Investitionen in die Print-Community über FESPA Associations
Neil Felton, CEO der FESPA, spricht mit Debbie McKeegan über die wichtige Reinvestition und Unterstützung der Druckgemeinschaft. Dies erreicht die FESPA durch Investitionen in ihre 37 globalen Verbände.

Zukunftsperspektiven: Siebdruck oder Digitaldruck?
Siebdruck und Digitaldruck sind zwei gängige Druckverfahren in der Werbetechnik. Doch welche Unterschiede gibt es zwischen den beiden Verfahren, welche Vor- und Nachteile haben sie, und womit lässt sich künftig Geld verdienen?
Das Forgra-Farbmanagement-Symposium bietet Anleitungen zur Verbesserung der Effizienz und zur Reduzi
Paul Sherfield spricht mit Andy Kraushaar, Leiter Prepress-Technologie bei der Fogra, über das Fogra-Farbmanagement-Symposium im Februar 2024 und warum es eine wichtige Veranstaltung ist, die Ihnen dabei hilft, die Effizienz zu verbessern und Abfall zu reduzieren.