Die EU und Verpackungen: Was bedeuten die jüngsten Änderungen für Druckereien?

Die Europäische Union (EU) hat dem Verpackungsmüll schon lange den Kampf angesagt. Das trifft auch Druckereien und ihre Geschäftsmodelle.
Digitaler Verpackungsdruck, Web2Print sowie Fulfilment-Modelle für personalisierte Produkte gehören schon seit Jahren zu den Wachstumsfeldern im Spezialdruck. Das sind allerdings auch gerade die Bereiche, bei denen die Verschärfung der Vorgaben für Verpackungen für besondere Umbrüche sorgen. Der folgende Artikel behandelt die Bereiche
- Recycling-Fähigkeit von Verpackungen
- Verpackungen für Druckprodukte für Endverbraucher und Kleingewerbe
- Personalisierte Verpackung und Fulfilment.
Dabei konzentriert er sich auf Perspektiven für Druckereien sowie die aktuelle Gesetzgebung in Deutschland.
Verpackungen in der EU recyclen, warum eigentlich?
Der Verpackungsdruck ist in Deutschland ein bedeutender Wirtschaftszweig. Laut Statista wurden 2021 knapp 30 Milliarden Euro Umsatz erzielt, immerhin mehr als ein Zehntel des weltweiten Volumens. Denn das lag nach Schätzungen bereits 2020 bei knapp 290 Milliarden US-$.
Im Rahmen des „Grünen Deals“ will die Europäische Union schon 2050 klimaneutral werden. Ab 2030 sollen deshalb alle Verpackungen recyclingfähig sein. Dazu wurden folgende Schritte geplant:
- Unnötige Verpackungen einschränken und wiederverwendbare und nachfüllbare Verpackungslösungen fördern
- Etablierung eines hochwertigen, geschlossenen Recyclingkreislaufs
- Senkung des Bedarfs an Primärrohstoffen
Seit dem 1. Januar 2023 müssen Gastronomiebetriebe, die „To Go“ Getränke oder Speisen anbieten, zum gleichen Preis auch Mehrwegverpackungen vorhalten. Für diese darf allerdings Pfand erhoben werden. Davon ausgenommen sind nur noch sehr kleine Imbisse und Restaurants mit einer Fläche von unter 80 Quadratmetern und gleichzeitig bis zu fünf Mitarbeitern.
Zwar gibt es mit Recup / Rebowl bereits mindestens einen überregionalen Anbieter von To-Go-Mehrwegverpackungen. Es ist aber zu erwarten, dass gerade regional starke Marken den Mehrweg-Zwang nutzen werden, um mit eigenen Verpackungen die Kundenbindung zu stärken. Auch lassen sich die Gefäße gut als Merchandise einsetzen. To-Go-Kunden, die die Mehrwegverpackungen behalten wollen, genieren so einen zusätzlichen Umsatz. Hier winken Druckereien mit Erfahrung beim Druck von personalisierten Produkten und Werbeartikeln neue Märkte.
Rohstoffe wiederverwerten
Damit ein möglichst geschlossener Rohstoffkreislauf entsteht, ist es notwendig, Verpackungen zu sammeln und aufzubereiten. Zwar sind heute in Deutschland rund 70% aller Verpackungen hauptsächlich aus Papier oder Karton, also einem Rohstoff mit bereits hoher Recyclingquote. Damit aus den wiedergewonnenen Fasern mehrfach neue Umverpackung entstehen kann, sind sortenreine Sekundärrohstoffe notwendig. Nur so lässt sich der Bedarf an Frischfasern, also Primärrohstoffen, vermindern.
Das bedeutet dann beispielsweise, dass Elektrogeräte im Umkarton nicht mehr in Halterungen aus Kunststoff gesichert und zusätzlich in Plastikfolie verpackt werden. Immer mehr Hersteller von Konsumgütern haben die Zeichen der Zeit erkannt und setzen auf Verpackungen, die komplett aus Papier und Karton bestehen. Hier können digitale Schneidetische, wie sie in fast jeder Digitaldruckerei stehen, eine enorme Hilfe bei Entwurf und Produktion nachhaltiger Verpackungen auf der Basis von Papier sein. Dadurch erscheint das Entstehen eines neuen, lukrativen Marktsegments recht wahrscheinlich.
BILDUNTERSCHRIFT: Seit 1. Januar 2023 muss die Gastronomie auch Recycling Verpackungen wie Recup / Rebowl anbieten. Hier können Druckereien neue Nischen erschließen. Foto: Recup
Verpackungen für Endverbraucher- und kleine Gewerbekunden
In der Europäischen Union setzen die Länder die Vergaben der Europäischen Union zu Verpackungen unterschiedlich um. Deshalb müssen Druckereien, die regelmäßig ins Ausland verkaufen, Verpackungslizenzen der entsprechenden Mitgliedsländer erwerben.
Bereits seit 2019 müssen sich so genannte „Erstinverkehrbringer“ von jeglichen Verpackungen in Deutschland im Verpackungsregister Lucid registrieren. Das gilt für alle Verpackungen, die an Endverbraucher und vergleichbare Stellen wie Freiberufler, Gastronomie oder Kleingewerbe abgegeben werden. Zusätzlich muss ein Lizenzvertrag mit einem Entsorgungssystem wie etwa dem Grünen Punkt geschlossen werden.
Seit dem 1. Juli 2022 wurden die Vorgaben des Verpackungsgesetzen noch einmal verschärft. Nun sind auch Unternehmen, die Serviceverpackungen oder vorbeteiligte Verpackungen abgeben verpflichtet, sich bei Lucid anmelden. Wenn in einer Druckerei ausschließlich „vorbeteiligte“ Verpackungen zum Einsatz kommen, muss diese keinen eigenen Vertrag mit einem Entsorgungssystem schließen. Denn das hat bereits der Großhändler oder Importeur getan, der das Verpackungsmaterial liefert.
Online-Marktplätze sind seit Juli 2022 angewiesen, bei Händler nur noch auf ihren Plattformen zuzulassen, wenn sie den Nachweis einer Registrierung bei Lucid erbringen.
BILDUNTERSCHRIFT: Verpackungen aus nur einem Werkstoff wie etwa Papier / Karton kann man leicht hochwertig wiederverwerten. Foto: S. Angerer
Personalisierte Verpackungen und Fulfilment
Hersteller von personalisierten Verpackungen in Deutschland mussten sich bereits seit 2019 registrieren und einem Entsorgungssystem beitreten. Seit Juli 2022 sind Fulfilment-Dienstleister und Kollegendruckereien aber zusätzlich verpflichtet sicherzustellen, dass auch ihre Kunden dort angemeldet sind. Nicht angemeldete und lizensierte Verpackungen können zu empfindlichen Geldstrafen und / oder Vertriebsverboten führen. Deutschland hat sich bei der Umsetzung der EU-Vorgaben zu Verpackungen außerdem dazu entschieden, keine Ausnahmen zuzulassen.
Deshalb trifft die Registrierungs- und Systembeteiligungspflicht auch kleine und kleinste Unternehmen. Es gibt daher verschiedene Plattformen, die Services rund um die europäischen Verpackungslizenzen anbieten. Für Druckereien bedeuten die Initiativen der Europäischen Union zur Vermeidung von Verpackungsmüll einen stark erhöhten Verwaltungsaufwand mit entsprechenden Kosten.
Dadurch haben Druckdienstleister in der EU gegenüber Verpackungsdruckereien im Nicht-EU-Ausland einen Wettbewerbsnachteil. Allerdings müssen Importeure ausländische Verpackungen in das lokale Anmeldungs- und Lizenzmodell einfädeln.
Die EU und Verpackungen – ein schwieriges Thema für Druckereien
Die EU-Vorgaben zum Eindämmen von Verpackungsmüll schufen viel zusätzliche Bürokratie. Die Verschärfungen, die in Deutschland 2022 und Anfang 2023 in Kraft getreten sind, haben den Aufwand weiter erhöht.
Das kann für kleinere Druckdienstleister zum Problem werden, vor allem dann, wenn sie europa- oder weltweit versenden. Zwar bleibt der digitale, vor allem individuelle Verpackungsdruck weiterhin eine attraktive Nische. Auch die Produktion und Verkauf oder Weiterverkauf von personalisierten Produkten liegt nach wie vor stark im Trend. Neben eine effizienten Produktion und guten Ideen braucht es aber künftig in Druckereien auch eine hochprofessionelle Verwaltung, die EU-Vorgaben rasch umsetzen kann.
Aufmacherbild mit freundlicher Genehmigung von S. Angerer / Dream.ai
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