Gedruckte Elektronik mit Siebdruck: Testen als Herausforderung

Gedruckter Elektronik wird in den kommenden Jahren ein Nachfrage-Boom vorhergesagt. Für Siebdruckereien ergibt sich dadurch eine Möglichkeit, wegfallende Lauflängen aus grafischen Aufträgen zu kompensieren. Doch sie müssen dazu neue Kompetenzen aufbauen, beispielsweise beim Testen und bei der Prozesskontrolle.
Wenn es nach den Analysten von Astute Analytica geht, ist die Zukunft der gedruckten Elektronik mehr als rosig. Denn sie schätzen die jährliche Wachstumsrate auf etwa 18,5 % im Prognosezeitraum 2024 bis 2032. Dann soll der weltweite Markt eine Größe von fast 63 Milliarden US-$ erreicht haben.
Was ist gedruckte Elektronik?
Unter gedruckter Elektronik versteht man elektronische Bauteile, vor allem auf flexiblen Substraten wie Kunststoff, Folien, Textilien oder Papier. Gelegentlich wird die leitfähige Paste auch direkt auf starre Materialien aufgebracht.
Dazu kommen vor allem Siebdruck sowie hybride Produktionsmethoden mit Sieb- und Digitaldruck zum Einsatz. Auch Tief- und Flexodruck spielen bei der gedruckten Elektronik eine Rolle.
Gedruckte Elektronik im Siebdruckverfahren wird vor allem für dünne, leichte und kostengünstige elektronische Bauteile eingesetzt. Typische Anwendungsbereiche ergeben sich in der Medizintechnik, für Smart Home und Hausgeräte, Wearables und Kleidung, in Automotive und Rüstung, in der Unterhaltungselektronik-Branche, bei der Herstellung von Solarmodulen sowie für smarte Verpackungen.
Doro Mergner und Wolfgang Mildner von MSWtech helfen Unternehmen bei der Entwicklung und beim Test von gedruckter Elektronik. Foto: Sonja Angerer
Vom dekorativen zum funktionalen Bauteil
Siebdruck kommt in der Industrie schon lange zum Einsatz, etwa für den Bau von Skalen und Blenden, sowie für Armaturenbretter und Innenausstattung in der Automobilindustrie. Siebdruckereien, die bereits für die Industrie arbeiten, sehen sich heute aber immer öfter mit Kundenanfragen nach Bauteilen konfrontiert, die sowohl dekorative wie funktionale Elemente haben. Dadurch erhofft sich die Industrie kleinere, leichtere und energieeffiziente Module. Diese könnten zudem vor Ort in Europa hergestellt werden. Das ist ein erheblicher Vorteil in der derzeitigen, doch recht unsicheren politischen Lage.
„Erfahrene Fachkräfte aus dem grafischen Siebdruck sind sehr gut in der Lage, auch gedruckte Elektronik herzustellen“, ist sich Doro Mergner vom MSWtech Test Center Europe sicher. Das Unternehmen bietet Beratung in den Wertschöpfungsketten rund um gedruckte Elektronik an und ist besonders auf die Analyse von mechanischen Stressoren bei flexiblen und gestretchten Schaltungen spezialisiert. Dazu ist in den Räumen des Lehrstuhls für Fertigungsautomatisierung und Produktionssystematik (FAPS) der Friedrich-Alexander-Universität eine Testumgebung von BayFlex Solutions aufgebaut. Sie kann remote und vor Ort bedient werden, und misst als kompakte Einheit, wie gedruckte Schaltungen und ihr Trägermaterial auf mechanische Einflüsse reagieren.
Weitere Test-Parameter, die bei gedruckten Schaltungen oft abgefragt werden müssen, sind elektrische Funktion, Kapazität und Widerstand. Optisch werden beispielsweise Vollständigkeit und Größe der Bauteile geprüft. In der Regel erfolgen diese Messungen automatisiert und mit Protokoll.
Denn nur so können Druckdienstleister nachweisen, dass ihre gedruckten Schaltungen den Vorgaben ihrer Industriekunden entsprechen. Das ist besonders wichtig, weil die Module oft in Industrie- und Investitionsgüter verbaut werden. Ein vorzeitiger Ausfall kann also zu sehr kostspieligen Schäden führen.
Dieses Testgerät im Labor von MSWtech in Nürnberg misst und analysiert mechanische Belastung bei gedruckter Elektronik auf flexiblen Medien. Foto: Sonja Angerer
Zusammenarbeit mit der FAU
Die Messreihen aus der Testumgebung in Nürnberg werden zum Teil mit Hilfe von speziellen KIs ausgewertet. Sie dienen der Produktentwicklung, aber auch der Grundlagenforschung. Auftraggeber sind Institute, Studierende und Forschende sowie Unternehmen aus ganz Deutschland.
Wolfgang Mildner von MSWtech erklärt dazu: „Für Siebdruckereien mit Erfahrung in der Industrie ist die Expansion in den Schaltungsdruck mitunter ein holpriger Weg. Die bestehende Prozessüberwachung ist meist nur darauf ausgelegt, visuell ansprechende Ergebnisse zu erzielen. Beim Schaltungsdruck genügt das aber nicht. Man muss sicherstellen, dass jedes einzelne hergestellte Exemplar elektrisch funktionsfähig ist. Dazu wird ein Test-Regime erstellt, mit dem sich die einzelnen Module automatisiert prüfen lassen.
Entsprechende Kompetenz und auch die Messeinrichtungen sind in Druckereien in der Regel zunächst nicht vorhanden. Da kommen wir dann ins Spiel.“ Mergner und Mildner bieten Qualifizierungen für Neueinsteiger in den Schaltungsdruck, und helfen bei Bedarf auch, die richtigen Testgeräte zu finden. MSWtech vertritt dabei Bayflex Solutions auch in Europa.
„Für Entwicklungsprojekte ist es oft aber gar nicht nötig, zunächst vor Ort eine Testumgebung zu installieren, da wir mechanische Stressoren-Messung und weitere Leistungen auch als Service bei uns im Labor anbieten“, betont Mergner.
Als Berater sind beide außerdem darauf bedacht, Neueinsteiger in den Schaltungsdruck dabei behilflich zu sein, Teil des Netzwerks gedruckte Elektronik zu werden. Beide bringen jahrzehntelange Management- und Entwicklungserfahrung in der Branche mit. Mildner ist als Mitglied der „Organic and Printed Electronics Association“ (OE-A) und General Chair der LOPEC davon überzeugt, dass sich komplexe Projekte mit gedruckter Elektronik nur in Zusammenarbeit von Unternehmen, Industrie, Forschenden und nicht zuletzt Designern voranbringen lassen.
Im traditionellen Siebdruck kommt es vor allem auf die Optik an. Gedruckte Elektronik muss aber auch technisch fehlerfrei sein. Foto: Sonja Angerer
Gedruckte Elektronik: ein Pfad für die Siebdruck-Branche
Sowohl Mergner als auch Mildner sind überzeugt, dass bestehende Siebdruckereien Chancen haben, in den Bereich gedruckte Schaltungen zu expandieren. Dabei können oftmals bestehende Druckmaschinen weiterverwendet werden. Auch Anlagen zur Sieberstellung benötigen allenfalls kleinere Verbesserungen.
Trotzdem sollte der Aufwand nicht unterschätzt werden, den es bedeutet, vom grafischen in den funktionellen Siebdruck zu wechseln, betont Mildner. Besonders bei der Ausbildung und Nachschulung von Fachkräften und beim Aufsetzen geeigneter Prozesse sieht er erheblichen Zeit- und Investitionsbedarf. „Mit Siebdruck hergestellte Schaltungen kontinuierlich zu testen ist dabei nur ein Teil der neuen Aufgaben, die auf ein solches Unternehmen zukommen.“ Dass sich die Mühen aber lohnen, steht auch für Mergner fest: „Der Markt für gedruckte Elektronik ist derzeit sehr vorteilhaft, und das wird sich auch in den kommenden Jahren kaum ändern.“
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