Müll reduzieren beim Inkjet-Druck: Mit Kooperation zu mehr Nachhaltigkeit
Der digitale Textildruck boomt, aber damit wächst auch die Abfallmenge. Wie kann man den dadurch entstehenden Müll durch Inkjet-Druck reduzieren? Durch hochwertiges Recycling. Aber das klappt nur, wenn Tinten- und Substrathersteller Hand in Hand arbeiten.
Die gute Nachricht zuerst: Bis 2026 soll sich nach Untersuchungen der Consulter von Smithers das Output-Volumen des digitalen Textildruck auf über 5,5 Milliarden Quadratmeter weltweit steigern. Was für die Branche nach rosigen Zukunftsaussichten klingt, könnte sich für die Natur als ein echter Tiefschlag erweisen. Denn derzeit kann man die meisten Materialien, sobald sie einmal bedruckt worden sind, kaum mehr weiterverwenden. Das bedeutet, dass riesigen Mengen wertvoller Rohstoffe auf Deponien oder in Müllverbrennungsanlagen landen.
Das muss nicht so kommen, sagt Heribert Decher, Inhaber der Dr. Decher GmbH in Barsinghausen. Das Unternehmen des Diplom-Chemikers und langjährigen CEOs eines namhaften Herstellers von textilem Druckmaterial ist auf Umweltmanagementberatung und Kreislaufwirtschaft in der Kunststoff-Industrie spezialisiert. Er schlägt deshalb vor, das Aufkommen von Müll im Inkjet-Druck zu reduzieren, indem Substrat und Tinten gemeinsam so entwickelt werden, dass man einzelne Bestandteile leicht wiederverwerten kann.
BILDUNTERSCHRIFT: Inkjet-Tinte ist sparsamer als analoge Druckfarbe, doch ihre schiere Menge verursacht sehr viel Abfall. Foto: S. Angerer
Worum geht es überhaupt bei Abfallreduzierung im Inkjet-Druck?
Seit gut zwei Jahrzehnten ruht sich der Digitaldruck im Wesentlichen darauf aus, dass sowohl Emissionen wie Materialverbrauch im Gesamtprozess im Vergleich zu analogen Verfahren wie dem Sieb- oder Offsetdruck deutlich reduziert sind.
Schon heute ist allerdings auch klar, dass diese zweifellos bestehenden Technologievorteile nicht ausreichen werden. Die EU hat sich für 2050 das Ziel gesetzt, ihre Emissionen rechnerisch auf netto Null zu reduzieren ("Net Zero"). Schon 2030, also in nicht mal sieben Jahren, soll das Aufkommen um 55% gegenüber 2019 vermindert werden. Das ist nur zu erreichen, wenn alle Industrien ihren Teil beitragen. Bedruckte Medien für kurzzeitige Anwendungen erhöhen das Gesamtabfallaufkommen und auch Emissionen, betont Decher.
„Es gibt natürlich eine Reihe von Faktoren, die den Einfluss des Inkjet-Drucks auf die Umwelt bestimmen", fügt er hinzu. „Dazu gehören beispielsweise der Stromverbrauch für Maschinen und die Peripherie und die teilweise aufwendige Abluftreinigung. Aber auch verbrauchte Druckköpfe und Tintencontainer tragen zum Abfall-Problem im Digitaldruck bei. Doch wir sollten uns zunächst auf Bedruckstoffe und Tinten konzentrieren, denn da könnte ein großes Problem auf die Branche zukommen."
Tatsächlich nämlich ist die Verwendungszeit vieler digital gedruckter Applikationen auf Textil und Kunststoff so kurz, dass man sie mit einigem Recht als Gebrauchsmaterial einstufen könnte. Damit unterlägen sie dann dem EU-weiten Verbot von Einwegplastik. Zwar sind derzeit noch keine entsprechenden Bestrebungen bekannt. Aber das 2009 EU-finanziert Eco Board-Projekt zur Abfallreduzierung in der Plakatwerbung favorisierte bereits eindeutig Digital Signage als Möglichkeit, Müll in der Außenwerbung zu reduzieren.
BILDUNTERSCHRIFT: Planentaschen sind beliebt zum Upcycling von gebrauchten Inkjet-Drucken, doch die Absatzmöglichkeiten sind heute begrenzt. Foto: S. Angerer
Was kann helfen, den Müll im Inkjet-Druck zu reduzieren?
Das Mantra der Abfallverminderung ist gut bekannt: Reduce, Reuse, Recycle. Das bedeutet, Druckvolumen zu reduzieren und Material-Upcycling, etwa als Planentaschen, zu forcieren. Beides ist für die Branche nur begrenzt umsetzbar. Beim Recycling gibt es zwei Hauptprobleme:
- Herauslösen der Tinten aus dem Material (Faser oder Beschichtung).
- Auftrennen der Verbundmaterialien in deren Ausgangsbestandteile mit anschließendem Recycling
Verwendung von Verbundmaterialien
Häufig sind Druckmedien keine so genannten Monomaterialverbunde. Dies gilt vor allem für Planen und Mesh-Gewebe sowie andere technische Textilien. Sie bestehen in der Regel aus einem Gewebe oder Gewirke aus behandeltem Polyester, gelegentlich auch PE oder PP. Darauf erfolgt eine Ausrüstung oder Beschichtung mit Polyurethan, PVC oder anderen Polymeren. Dazu kommen oft weitere, dünne Funktions-Layer, etwa zur besseren Bedruckbarkeit oder zum Schutz der Tinte gegen Abrieb.
Um solche Materialien so zu recyceln, dass sie mehrfach wiederverwendet werden können (Closed Loop), muss man die Werkstoffe chemisch trennen. Denn damit die Druckfarben auf dem Substrat richtig haften, müssen sie zum Teil in das Substrat eindringen. Das bedeutet aber auch, dass man sie mit mechanischen Verfahren nicht mehr vollständig entfernen kann. Initiativen einzelner Hersteller, die das Problem lösen wollten, brachten in der Vergangenheit meist nicht den gewünschten, nachhaltigen Erfolg.
Probleme beim Tinten-Recycling
Tinten bestehen meist aus Farbstoffen oder Pigmenten, die in einem Lösungsmittel gelöst sind. Für haltbare Drucke müssen die Tinten dauerhafte Verbindung mit der Oberfläche eingehen. Wie diese aussieht, ist je nach Drucktechnologie unterschiedlich.
Wasserbasierte Tinten und Sublimationstinten mit Farbstoffen dringen tief in Gewebe ein, was ein Herauslösen zum Recycling fast unmöglich macht. Pigmente bleiben dagegen meist an der Oberfläche. UV-härtende Tinten vernetzen an der Oberfläche des Drucksubstrates und gehen damit eine fast untrennbare Verbindung ein.
Latex-Tinten härten ebenfalls weitgehend an der Oberfläche des Druckmediums aus. Dabei findet teilweise ein Polymerisationsprozess statt, der unumkehrbar ist.
Nach dem heutigen Stand der Technik müssen die Tinten vom Bedruckstoff getrennt werden, um Recycling zu ermöglichen (Deinking). Das aber funktioniert nur, wenn die Tinte nicht am Medium fixiert wurde.
BILDUNTERSCHRIFT: Hersteller von Bedruckstoffen und Inkjet-Tinten haben heute den gesamten Lebenszyklus des bedruckten Produktes noch zu wenig im Blick. Foto: S. Angerer
Gemeinsame Entwicklung von Inkjet-Druckern und Verbrauchsmaterial nötig
„Sowohl Druckmedien als auch Tinten wurden in den letzten Jahrzehnten kontinuierlich verbessert“, sagt Decher. „Dabei hatte die Industrie allerdings selten die Performance für das Gesamtsystem im Blick. Häufig, etwa bei der Wahl von PVC für Planen und Mesh, gibt es auch historische Gründe für die Entscheidung, wie die gute Verfügbarkeit, die Materialeigenschaften und nicht zuletzt der Preis. Alternativen wie Polyolefine oder (Bio)-Baumwolle sind oft viel teurer oder bringen weitere Umweltprobleme mit sich.“
Er schlägt deshalb vor, bei neuen Entwicklungen von Material und Maschinen im Inkjet-Druck von vornherein auf Umweltauswirkungen und Nachhaltigkeit zu achten. „Unternehmen sind angehalten, ganzheitliche Entwicklungskonzepte zu erstellen. Das gilt für Medien-, Drucker- und Tintenhersteller“, sagt er.
„So müssen etwa für das Ablösen der Tinte vom Substrat ebenso Lösungen gefunden werden wie für die Trennung der Oberfläche vom textilen Träger. Verbrennen oder deponieren des Inkjet-Mülls verbraucht wertvolle Ressourcen, führt zu starken Emissionen und Belastungen der Umwelt. Daher muss dieser dringend reduziert werden!“.
Kooperation, auch vertraglich abgesichert, ist deshalb bei allen Akteuren gefragt, mahnt Decher. „Wir müssen dazu kommen, das wichtiges Know-how ausgetauscht und nicht nur gehortet wird. Im Lastenheft der Entwickler aller Ausgangsmaterialien muss neben den spezifischen Materialeigenschaften auch die Kreislauffähigkeit des fertigen Produktes berücksichtigt werden. “
Er nimmt aber bei der Abfallvermeidung im Inkjet-Druck auch Druckdienstleister und ihre Kunden in die Pflicht: „Teure Entwicklung von umweltschonenden Inkjet-Technologien rechnen sich nur, wenn die Verarbeiter mitziehen und solche Produkte auch ihren Kunden ans Herz legen. So lange Druckereien aus Preisgründen auf Importmaterialien mit schlecht gesicherten Eigenschaften zurückgreifen, kann man den Müll im Inkjet-Druck kaum wirksam reduzieren. Die Konsequenzen muss dann allerdings die gesamte Branche tragen…“
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