Digitaldruck

Die Show geht weiter

by FESPA | 06.10.2021
Die Show geht weiter

Endlich dürfen großen Messen wieder für Besucher öffnen. Für viele Druckdienstleister mit einem Schwerpunkt auf dem Messegeschäft ist das eine Riesenerleichterung. Aber ganz so wie vorher wird es wohl nicht mehr. Was bedeutet das strategisch? Anhand zweier Messen, die kürzlich in Bayern stattgefunden haben wird versucht, das einmal abzuschätzen.

BILDUNTERSCHRIFT: Die IAA Mobilität war eine der ersten großen mitteleuropäischen Messen, die sich mit einem neuen Konzept zurückmeldete. Foto: Oliver Tamagnini für IAA Mobility

Als am 7. September 21 die IAA Mobility in München eröffnet wurde, war die Erleichterung bei allen groß: bei der Messe München, bei der lokalen Industrie und natürlich bei den Druckdienstleistern. Ohne die große Druckvolumen, die internationale Leitmessen mit sich bringen, mussten viele von ihnen in den letzten Monaten schwere Umsatzeinbußen hinnehmen. Die Automesse IAA fand seit 1951 alle zwei Jahre auf dem Frankfurter Messegelände statt. Sie konnte zeitweise bis zu knapp einer Million Besucher begrüßen. Die letzte IAA im Jahr 2019 zählte allerdings nur 560.000 Gäste.

Dann wurde die Messe im Rahmen des neuen "Mobility" Konzepts nach München verlegt. Nun geht es also nicht nur um Autos, sondern alle Arten von urbanen Mobilitätslösungen, also etwa auch Carsharing, E-Scooter und Fahrräder. In dem Zusammenhang beschloss der Deutsche Verband der Automobilindustrie (VDA) als Veranstalter, die Messe zu öffnen und große Freigelände, „Open Spaces“ direkt im Stadtzentrum zu errichten. Im Nachhinein wirkt das wie die perfekte Idee, um eine Messe trotz der Pandemie zu ermöglichen. Tatsächlich aber stand das Konzept in seinen Grundzügen bereits Monate früher und hatte einen ganz anderen Hintergrund.

BILDUNTERSCHRIFT: Der "Open Space"-Bereich der IAA Mobility auf dem Münchner Königsplatz. Für Druckdienstleister mit Messegeschäft eine ganz ungewohnte Herausforderung. Foto: Mario Drescher für IAA Mobility.

Fachmessen und Außenbereiche

Auf der neuen IAA Mobility waren nur sechs von 18 in München zur Verfügung stehenden Hallen mit „klassischen“ Messeständen der Automobilindustrie gefüllt. Der Großteil der Veranstaltung fand auf dem weitläufigen Freigelände der Messe statt.  Sogar ein Teil der Autobahn ins Zentrum wurde gesperrt, denn die „Blue Lane Road“ lud die Aussteller ein, umweltfreundliche Mobilitätslösungen für Städte zu präsentieren. In der Münchner Innenstadt wurden öffentliche Plätze zu "Open Space"-Ausstellungs- und Veranstaltungsflächen umfunktioniert. Auf dem historischen Königsplatz gab es sogar ein Riesenrad. Die meisten der „Open Space“-Flächen waren für die Öffentlichkeit kostenlos zugänglich. Nicht zuletzt dadurch stieg die Gesamtbesucherzahl der Messe auf etwa 400.000.

Für Druckdienstleister bedeutete die Konzentration auf Veranstaltungsräume im Freien eine deutliche Umstellung zu dem, was sie sonst von Messebauern gewohnt sind. Abstelle zarter textiler Leuchtkästen und anderer Displays speziell für Innenräume waren plötzlich robustere, für den Außenbereich geeignete Applikationen gefragt. Die Messe wollte gleichzeitig auch ein Zeichen für Ökologie setzen. Deshalb standen umweltfreundliche Materialien auch stärker im Mittelpunkt. Riesige Displays erwiesen sich dabei als Publikumsmagneten. Es wurde aber auch deutlich, dass die meisten von ihnen elektronisch und nicht gedruckt waren. Schließlich liegen Videoinhalte massiv im Trend.

Die Münchner Messe wurde aber auch zum Ziel einer ganzen Reihe von heftigen Protesten durch Aktivisten. Vermutlich wird so etwas künftig bei Messen öfter vorkommen. Das gilt vor allem dann, wenn diese öffentlich zugänglich und gut sichtbar sind, weil sie über kostenlose Außenflächen verfügen. Messedesigner und ihre Druckdienstleister werden daher Sicherheitsanwendungen entwickeln müssen, die auch den guten alten Vandalismus im Zaum halten.

Das können Druckdienstleister von der IAA Mobility mitnehmen:

  • Weniger „traditionelle“ Stände in Innenräumen
  • Mehr Open-Air-Veranstaltungsflächen
  • Fokus auf umweltfreundliche Drucklösungen
  • Sicherheit und Schutz gehören zum Messekonzept
BILDUNTERSCHRIFT: Eingangsbereich der Fachpack Nürnberg: Die Tickets wurden kontaktlos über einen QR-Code ausgedruckt. Photo: NürnbergMesse / Thomas Geiger

Fachbesucher erwarten ein gesundes Umfeld

Die Fachpack Nürnberg findet jährlich rund 200 Kilometer nördlich von München statt. Sie richtet sich seit jeher nur an Fachbesucher. Deshalb überspringt die Schau jedes dritte Jahr zugunsten der Interpack Messe in Düsseldorf. Zur September-Ausgabe 2019 der Fachpack kamen rund 43.000 Gäste in die zwölf Hallen der NürnbergMesse. Nachdem die Messe 2020 wegen der Pandemie ausfiel, fand die diesjährige Version vom 28. bis 30. September 2021 mit 24.000 Besuchern in deutlich kleinerem Rahmen statt. Auch die Zahl der Aussteller war mehr als halbiert, es kamen 788 statt der fast 1.600 von 2019.

Die meiste Werbung für die Messe erfolgten über das Internet, ebenso die Besucherregistrierung, denn die Eintrittskarten waren nur online erhältlich. Das Ticket wurde am Eingang berührungslos aus aus einem QR Code generiert. Da der Zutritt nur Personen gestattet war, die auf COVID-19 getestet, geimpft oder als genesen zertifiziert waren (3G-Regel), mussten die Besucher darüber einen Nachweis vorlegen. Dazu konnte man das Zertifikat aus der COVID-App nutzen, oder an einem speziellen Schalter Papier mit einem Nachweis einreichen. Viele Aussteller verteilten auch keine Kataloge, Broschüren oder gar Werbegeschenke. Sie sammelten oder scannten nur Visitenkarten und versprachen im Nachgang digitale Unterlagen zu versenden.

Die Messe belegte diesmal nur sieben Hallen. Der Außenbereich beschränkte sich hier auf einige Food Trucks mit umliegenden Ruhezonen. Wie im Hygienekonzept vorgesehen, wirkten die Gänge breiter und die Stände schienen lockerer zu stehen. Auffällig auch: Besprechungszonen waren eher offen und luftig angelegt, und nicht wie sonst oft üblich in kleinen, rückwärtigen Kabuffs. Im Rahmen des Hygienekonzepts waren auch zahlreiche Bodengrafiken zu sehen, die der besseren Orientierung auf den Laufwegen dienen sollten.
Die Fachpack galt als erste große Schau für die Verpackungsindustrie in Mitteleuropa nach den Lockdowns. Trotzdem sahen viele Messeauftritte eher nach Systemständen aus. Individuell designte Stände hatten sich, wenn überhaupt, eher nur die großen Player im Markt geleistet.  

Die NürnbergMesse hatte bereits im Dezember 2020 verkündet, dass die Messe 2021 auf alle Fälle stattfinden sollte. Trotzdem wirkte es ein bisschen so, als ob sich viele Aussteller erst in letzter Sekunde für eine Teilnahme entschieden hatten. Oftmals wurde deshalb auch nur kleinere, standardisierte Stände aufgebaut. Für Druckdienstleister mit einem Schwerpunkt im Messegeschäft könnten sich Unsicherheiten über Messetermine künftig zu einem großen Problem entwickeln. Denn das wird wohl dazu führen, dass in den ohnehin schon schwierigen Produktionsplänen verstärkt Slots für Last-Minute-Aufträge geschaffen werden müssen.

Das können Druckdienstleister von der Fachpack mitnehmen:

  • Anzahl der Druckerzeugnisse auf den Ausstellungsflächen sinkt
  • Leitsysteme und Bodengrafiken stark nachgefragt
  • Offenere Standgestaltung liegt im Trend
  • Mehr Standardstände statt individuellem Messedesign
  • Die Ungewissheit, ob eine Messe wirklich zustande kommt, führt zu vielen Last-Minute-Entscheidungen

Eine neue Ära von Fachmessen – und was das für Druckdienstleister bedeutet

Die meisten Druckdienstleister mit starkem Messegeschäft freuen sich derzeit, dass die Umsätze nach 18 langen Monaten voller Online-Events endlich wieder anziehen. Es sieht jedoch so aus, als ob Fachbesucher noch ein Weile bräuchten, um sich sicher genug für einen massenhaften Messebesuch zu fühlen. Bei den Endkonsumenten scheinen solche Bedenken eher nicht zu bestehen.

Für Druckdienstleister könnte dies dazu führen, dass das Messegeschäft noch schwieriger wird. Denn kurzfristige Absagen oder auch Zusagen der Veranstalter je nach pandemischer Situation (oder auch anderen Kriterien) werden künftig häufiger werden. Es erscheint deshalb sinnvoll, entsprechende Produkte und Leistungen schon im Vorfeld stärker zu standardisieren, sodass diese schneller und mit besserem Deckungsbeitrag produziert werden können. Wo noch nicht geschehen, sollten Druckdienstleister außerdem damit beginnen, Aufschläge für besonders schnelle Bearbeitung durchzusetzen.

Auch die Gestaltung von Messeständen selbst wird in den kommenden Jahren wohl einem Wandel unterworfen sein, denn Trends wie Großbildschirme oder auch vergrößerte Außenbereich werden noch stärker zum Tragen kommen. Für Druckdienstleister mit regelmäßigem Messegeschäft wird es daher wichtig sein, ein gesundes Verhältnis zu ihren Kunden zu pflegen und sie frühzeitig im Designprozess zu beraten.

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