3D-Druck erobert neue Anwendungsbereiche
Sie denken, 3D-Druck sind nur seltsame Objekte aus buntem Kunststoff oder kleine 3D-Avatare? Weit gefehlt!
Ob bei Brandverletzungen oder Organversagen: Der Traum, mit Hilfe von 3D-Drucktechologie Zellstrukturen oder sogar ganze „Ersatzteile" für den menschlichen Körper nachbauen zu können, ist inzwischen mehr als ein Jahrzehnt alt. Einem Forscherteam der Universitäten Bayreuth und Würzburg könnte es gelungen sein, seiner Erfüllung ein Stück näher zu kommen: Ein Team der Leitung von Prof. Dr. Thomas Scheibel (Lehrstuhl für Biomaterialien, Universität Bayreuth) und Prof. Dr. Jürgen Groll (Lehrstuhl für Funktionswerkstoffe der Medizin und der Zahnheilkunde, Universität Würzburg) entwickelte eine neuartige „Biotinte" auf der Basis von Spinnenseide.
Das noch junge Forschungsgebiet, das die Möglichkeiten erkundet, die Produktion von gewebeähnlich aufgebauten Strukturen durch 3DDrucktechniken zu ermöglichen, nennt sich „Biofabrikation". Das Problem beim „Drucken" von komplexen Zellstrukturen besteht in ihrem Aufbau: Vereinfacht ausgedrückt, muss zunächst eine Art poröses „Gerüst" erstellt werden, das bei derzeit üblichen Verfahren in einem zweiten Schritt mit lebenden Zellen „beladen" wird.
Zwar konnten damit bereits einige Erfolge verzeichnet werden, doch die Versuche, Zellen wirklich gewebeartig anzuordnen, waren bislang nur mäßig erfolgreich. Der nordbayerische Ansatz verfolgt deshalb einen anderen Weg: Mit „Biotinte"aus Spinnenseide und lebendigen Zellen sollen sich auch feine Strukturen ausdrucken lassen. Das Gel fließt im Druckkopf gut, verfestigt sich an der Luft jedoch sofort durch Zellumlagerung. Erste Versuche mit Fibroblasten von Mäusen und Menschen sind, so erklären Sprecher der beteiligten Universitäten Ende Januar 2015, sehr vielversprechend: Professor Dr. Thomas Scheibel sieht enorme Chancen etwa beim Ersatz von Herzmuskelgewebe, Nervenbahnen oder Hautpartien.
Gedrucktes Ohr aus Biotinte
Konditor-Kunst aus dem 3D-Drucker
Ein wesentlich weniger ernstes, aber genauso faszinierendes Anwendungsgebiet will 3DSystems mit dem Chefjet erschließen. Die Chefjet-Serie, die aus dem kleinformatigen, monochromen Chefjet und seinem vollfarbigen Produktions-Pendent Chefjet Pro besteht, wurde auf der CES Messe in Las Vegas Anfang der 2015 erstmals einem breiteren Publikum vorgestellt.
Noch handelte es sich um Vorserien-Modelle, doch schon ab der Jahresmitte soll es möglich sein, Zucker- und Schokoladenobjekte bis zu einem Format von ca. 25 x 36 x 20 cm auszudrucken. Die dazu benötigte „Tinte" gibt es in diversen Geschmacksrichtungen: Die süßen Kunstwerke sollen nach Vanille, Schoko, Minze, Saurer Apfel, Kirsche oder Wassermelone schmecken.
Eine spezielle Software soll Konditoren und anderen Gastronomiebetrieben helfen, mit ihrem „Chefjet" spektakuläre, zum Teil farbige Süßigkeiten auszudrucken. Zwar konnte sich das Messepublikum in Las Vegas vom Geschmack des 3D-Zuckerzeugs überzeugen. Vermutlich wird das Verfahren künftig jedoch eher für (nicht unbedingt zum Genuß vorgesehene) Dekorationen von Hochzeitstorten und ähnlichen Event-Backwerken zum Einsatz kommen.
Chefjet3 Fabrikationen
3D-Druck: Die kleine Autofabrik an der Ecke
Die auf der North American International Auto Show (NAIAS) gezeigte Idee von Local Motors könnte dagegen ein global disruptive Wucht entfalten: Geht es doch um nichts weniger, als die Autoindustrie lokaler und individueller zu machen – und zwar mit Hilfe des 3D-Drucks.
Das Unternehmen zeigte in Detroit Anfang 2015, wie live auf dem Messestand ein „Strati" gedruckt wird: Der elektrische City-Flitzer beruht auf der Plattform des Renault Twezy, doch Chassis, Armaturen und andere Bauteile wurden aus kohlenfaserverstärkter ABS-Kunststoff ausgedruckt. Das dauert derzeit noch fast zwei volle Tage, zudem muss dann noch mit der Fräse nachgearbeitet werden. Künftig will man hier jedoch einen deutlichen Zahn zulegen und peilt eine Druckzeit von ca. 24 Stunden an.
Die entscheidende Änderung liegt bei Local Motors aber nicht nur im Herstellungsverfahren: Das eigentliche Potenzial entfaltet der 3D-Druck auch in der Autoproduktion, wenn er nicht für zentral produzierte Großserien, sondern lokal und an die speziellen Bedürfnisse der regionale Bevölkerung angepasst produziert wird. Das soll, so die Vorstellung von Local Motors, in kleinen Fabriken, so genannten „Microfactorys" geschehen, die jeweils nur etwa 4.000 Quadratmeter für die Produktion benötigen. Sogar „Mobifactories" sind angedacht, in Container verpackte Wartungs- und Produktionskapazitäten und, die einfach dort aufgestellt werden, wo aktuelle Bedarf besteht, und weiterziehen, wenn dieser gestillt ist.
Dabei steht kollaborative Arbeit im Mittelpunkt – nicht nur können sollen Käufer unter fachkundiger Anleitung ihr eigenes Traumauto entwickeln können, eine spezielle Plattform soll auch Designer und andere Fachleute aus heute bereits 130 Ländern zusammenbringen, die gemeinsam an Projekten zu arbeiten. Denn das Unternehmen bietet bereits heute weitere innovative (aber nicht 3D-gedruckte) Fahrzeuge an.
Auch wenn heute manches noch arg nach Zukunftsmusik klingt – schon in wenigen Jahrzehnte, so scheint es, wird 3D-Druck die Produktion von Industriegütern, die Medizin und wahrscheinliche noch eine ganze Reihe andere Lebensbereichen tiefgreifend verändert haben. Wir stehen am Anfang einer weiteren digitalen Revolution.
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