Die europäische Verpackungsindustrie steht vor einem fundamentalen Wandel. Die neue EU-Verpackungsverordnung (PPWR) trat im Februar 2025 in Kraft. Sie betrifft auch alle Druckereien, die Verpackungen herstellen. Was ist zu tun?

Die neue Packaging and Packaging Waste Regulation PPWR (Text) der EU ist bereits seit Februar 2025 in Kraft. Unternehmen haben nur noch bis August 2026 Zeit, um die ersten Stufen umzusetzen. Denn danach können erhebliche Strafen verhängt werden, wenn die Vorgaben nicht eingehalten werden. Das ist Teil der EU-Nachhaltigkeitsinitiativen.

Ganz ohne Kunststoff, aber mit viel Material: Verpackung für ein aktuelles Samsung Galaxy A16. Foto: Sonja Angerer

Gilt die EU-Verpackungsverordnung für jeden?

Die PPWR hat erheblichen Einfluss auf viele Branchen, die regelmäßig Print-Produkte kaufen, etwa die Lebensmittel- und Getränkeindustrie, E-Commerce, Einzelhandel, Kosmetikindustrie sowie Logistik- und Versandunternehmen.

Doch auch Druckereien sind in ihren Geschäftsprozessen betroffen. Nämlich immer dann, wenn sie Waren verpacken, um sie an Kunden zu liefern oder zu verschicken. Im B2C-Bereich besteht in Deutschland bereits seit 1991 eine Lizensierungspflicht im Dualen System für Verpackungen.

Die PPWR sieht nun vor, dass ab 2030 im B2B-Geschäft 100% der Verkaufs- und Transportverpackungen, die zwischen Standorten desselben Unternehmens, verbundenen Unternehmen oder Partnerunternehmen im selben Land zirkulieren, wiederverwendbar sein müssen.

Unternehmen, die grenzüberschreitend tätig sind, sollten sich zudem über örtliche Vorschriften informieren. Denn die einzelnen Länder der EU setzen die Verpackungsverordnung PPWR in Eigenregie in nationales Recht um.

Innovative Verpackungsmaterialen im Einsatz bei Beats: gerundete Schachtel aus Zellulose, Transparent-Papier statt Kunststoff, Fleece-Beutel für extra Schutz. Foto: Sonja Angerer

Gibt es Ausnahmen von der EU-Verpackungsverordnung?

Ausgenommen von den Regelungen sind bestimmte Verpackungen für medizinische Produkte und Säuglingsnahrung. Zudem können unter Auflagen Ausnahmen gewährt werden z.B. für:

  • Verpackungen, die vor Februar 2025 unter Design- oder Markenschutz gestellt wurden
  • Verpackungen für durch die EU regional geschützte Produkte
  • Verpackungen für Gefahrgut.

Dabei werden Unternehmen, die weniger als 10 Mitarbeiter beschäftigen und einen Jahresumsatz von weniger als 2 Millionen Euro von einigen der strengsten Anforderungen befreit oder erhalten längere Übergangsfristen.

Was sagt die EU-Verpackungsverordnung?

Die neue Verpackungsverordnung der Europäischen Union stellt verschärfte Anforderungen an die gesamte Lieferkette. Die Vorschriften sehen vor, dass alle Verpackungen:

  • mit möglichst geringem Schadstoffanteil
  • recyclingfähig in bestehenden Systemen
  • aus einem wachsenden Anteil von Recyclingstoffen

hergestellt werden.

Zudem sollen sie möglichst platzsparend designt sein. Das bedeutet, dass Mehrfach-Umkartons, aber auch doppelte Böden und großzügige Dimensionen ohne notwendige Schutzfunktion bei Verkaufsverpackungen künftig zu vermeiden sind.

Kartonplatten lassen sich gut bedrucken und recyceln. Sie werden dank EU-Nachhaltigkeitsinitiative künftig wohl verstärkt im Verpackungsdruck eingesetzt. Foto: Sonja Angerer

Was bedeutet die PPWR für den Verpackungsdruck?

Designer, aber z.B. auch Markeninhaber und Fulfillment-Services sind durch die PPWR gezwungen, ihre bestehenden Systeme anzupassen. Druckereien, die Verpackungen herstellen, müssen daher ihre Produktionsprozesse grundlegend überdenken.

Zwar werden die Vorlagen für Verpackungen in der Regel druckfertig vom Kunden angeliefert. Neue, PPWR-konforme Designs könnten sich von den bestehenden, aber deutlich unterscheiden. Etwa, indem sie kompakter sind und weniger aufwendig bedruckt werden. Dafür könnten Zuschnitt, Stanzen und Rillen auf kleinerem Raum deutlich aufwändiger und schwieriger werden.

Da die Herstellung von untrennbaren Verbundstoffen künftig vermieden werden soll, wird auch die Nachfrage nach Veredelungen mit Folien, Laminierungen und Lackierungen künftig wohl eher sinken.

Ein besonders wichtiger Aspekt der EU-Verpackungsverordnung ist die Reduzierung schädlicher Substanzen. Dies kann sich auf zugelassene Bedruckstoffe auswirken, aber auch auf die verwendeten Druckfarben und -lacke.

Dies könnte vor allem ein Problem werden für Digitaldruckereien, die mit ihren üblichen Maschinen für werbetechnische Anwendungen kleine oder personalisierte Auflagen von Verpackungsmaterial herstellen. Denn diese Tinten sind nicht für die Herstellung von Verpackungen optimiert. Dadurch könnte es je nach Farbauftrag und Drucksubstrat schwierig werden, Grenzwerte einzuhalten.

Tray aus Zellulose statt Styropor: Die EU-Verpackungsverordnung erfordert künftig Änderungen im Verpackungsdesign. Foto: Sonja Angerer

Digitaler Verpackungsdruck hilft bei Umsetzung der PPWR

Trotz aller Herausforderungen bietet Digitaldruck einzigartige Möglichkeiten, um die Herausforderungen der neuen EU-Verordnung zu meistern. Denn er ermöglicht eine hochflexible Produktion kleiner Auflagen ohne die Notwendigkeit aufwendiger und materialintensiver Rüstprozesse.

Dadurch kann Verpackungsmaterial bedarfsgerecht und dezentral produziert werden. Das verhindert Überproduktion und große Lagerbestände. Durch regionale Herstellung lässt sich außerdem der Logistik-Aufwand erheblich reduzieren.

Digitaldruck ermöglicht außerdem die kosteneffiziente Produktion personalisierter und mit variablen Daten versehener Verpackungen. Diese passgenauen Verpackungen werden oft sehr geschätzt. Deshalb entsorgt sie der Empfänger seltener achtlos, sondern nutzt sie weiter, z.B. als Geschenkschachtel oder Archivbox.

Digitaldruckereien können ihren Kunden bei der Umsetzung der EU-Verpackungsverordnung auch helfen, indem sie

  • verstärkt auf recycelbare Materialien, biobasierte Substrate und Materialien mit hohem Recyclat-Anteil setzen
  • Papiere mit FSC-Zertifizierung, Graspapier oder innovative Materialien aus Agrarabfällen anbieten
  • Verpackungen aus einem einzigen Material entwickeln, die dünner und leichter bei gleicher Schutzfunktion sind
  • schadstoffarme und möglichst gut entfernbare Drucktinten bevorzugen.

Transformation bietet Chancen für den Verpackungsdruck

Die EU-Nachhaltigkeitsinitiativen eröffnen Druckereien neue Geschäftsmöglichkeiten, erfordern aber teilweise auch strategische Neuausrichtungen:

  • Beratungskompetenz als Wettbewerbsvorteil: Druckereien, die sich Expertise in nachhaltiger Verpackungsgestaltung aufbauen, können sich als Beratungspartner für ihre Kunden positionieren.
  • Partnerschaften entlang der Wertschöpfungskette: Erfolgreiche nachhaltige Verpackungslösungen entstehen durch enge Zusammenarbeit zwischen Druckereien, Verpackungsdesignern, Materialherstellern und Recyclingunternehmen.
  • Zertifizierungen und Standards: Die Einführung anerkannter Nachhaltigkeitszertifizierungen wie FSC, PEFC oder Cradle-to-Cradle kann die Glaubwürdigkeit erhöhen. Viele Kunden fordern mittlerweile entsprechende Nachweise von ihren Lieferanten.

Druckereien, die diese Herausforderung annehmen, werden nicht nur zur Lösung des Verpackungsmüllproblems beitragen. Sie können dadurch auch ihre Position im Markt nachhaltig stärken.

Die EU-Verpackungsverordnung bietet deshalb insbesondere Digitaldruckereien gute Chancen, ihre Zukunft zu sichern. Denn Digitaldruck unterstützt viele der geforderten Nachhaltigkeitsziele wie bedarfsgerechte Produktion, Reduzierung von Abfällen und flexible Anpassung an sich ändernde Anforderungen.

Hersteller von Maschinen und Verbrauchsmaterial für den Verpackungsdruck sind jedoch ebenfalls gefordert, ihren Teil dazu beizutragen, dass die Industrie nachhaltiger wird. Etwa mit energieeffizienten Druckern und ungiftigen Tinten, die auch auf Natur- und Recycling-Material beste Ergebnisse ermöglichen.

Die erfolgreiche Transformation der Verpackungsindustrie erfordert strategisches Denken, Investitionsbereitschaft und die Fähigkeit, Kunden als Partner bei der Entwicklung nachhaltiger Verpackungslösungen zu gewinnen. Die neue EU-Verpackungsverordnung ist dabei als wichtiger Meilenstein zu sehen.