
Die Procedes-Gruppe ist eines der größten Unternehmen im Textildruck. Automatisierung und Digitalisierung spielen dabei eine wichtige Rolle. Sonja Angerer spricht mit dem Geschäftsführer Alexander Beilken darüber, wie das Unternehmen mit Sitz in Lemwerder dies erreicht hat.
„Procedes Chenel Beilken Digital Printing ist ein echter Pionier des Digitaldrucks“, sagt Alexander Beilken. „Das Unternehmen wurde 1990 gegründet, seine Wurzeln reichen aber bis ins Jahr 1919 zurück, in die Segelmacherei Beilken.“ Es ist daher nicht verwunderlich, dass sich Procedes auf den digitalen Textildruck spezialisiert hat. Die Gruppe ist heute auf sechs Standorte verteilt, von denen sich einer seit 2020 in den USA befindet: Procedes LLC in Chicago.
„Wenn Sie wirklich in den Vereinigten Staaten Geschäfte machen wollen, müssen Sie dort eine eigene Produktion haben“, ist Beilken überzeugt. Der Betriebswirt hat 2016 die Geschäftsführung von seinem Vater Berend Beilken übernommen. Da war er gerade 26 Jahre alt. Seit Mitte der 1990er Jahre hat sich Procedes im Projektgeschäft auf Textildruck spezialisiert.
„Bis heute konzentrieren wir uns vor allem auf die Event- und Messebaubranche. In der Vergangenheit handelte es sich dabei oft um sehr große Messeprojekte von bekannten Unternehmen. Das bedeutete, dass wir manchmal wochen- oder sogar monatelang für nur wenige Kunden tätig waren. Die Weiterverarbeitung von Textildrucken war schon immer ein Kampf. Hier war viel Handarbeit durch Fachpersonal erforderlich. Deshalb sind auch heute noch etwa 40 unserer 240 Mitarbeiter in der Näherei beschäftigt.“
Beilken sah, dass ein solches Projektgeschäft erhebliche Abhängigkeitsrisiken mit sich bringt. Außerdem sind die Möglichkeiten zur Verschlankung von Prozessen bei einzelnen Artikeln stark eingeschränkt. „Ich habe daher begonnen, den Kurs des Unternehmens konsequent in Richtung Automatisierung und Digitalisierung zu setzen. Heute liefern wir 30.000 – 40.000 Textildruckaufträge pro Jahr. Unser Hauptmarkt ist Mitteleuropa, aber auch die USA entwickeln sich gut. Ohne konsequente Automatisierung und Digitalisierung wäre das mit unserer Belegschaft nicht möglich.“
Alexander Beilken hat 2016 im Alter von nur 26 Jahren die Leitung der Procedes-Gruppe übernommen. Bildnachweis: Procedes.

Automatisierung: Beziehen Sie Ihre Mitarbeiter ein
„Im Alter von 22 Jahren hatte ich bereits ein Start-up gegründet, Procedes Square, das heute Procedes ID interior design heißt“, sagt er. „Mit einem solchen Start-up fängt man bei Null an, d.h. ohne Altlasten, aber auch ohne eine große Kapital- und Mitarbeiterbasis. Bei Procedes ID haben wir von Anfang an auf eine konsequente Digitalisierung und größtmögliche Automatisierung gesetzt.
Ich habe auch gelernt, dass es nicht nur um technische Prozesse geht. Sie müssen jeden Mitarbeiter im Unternehmen mit einbeziehen. Die Digitalisierung und Automatisierung, ob im Textildruck oder anderswo, sollte jedem Vorteile bieten. Sie müssen die Erwartungen steuern, aber vor allem müssen Sie eine echte Verbesserung der Arbeitsbedingungen schaffen. Das funktioniert nur, wenn Sie dauerhaft in die Aus- und Weiterbildung investieren. Ein solches konsequentes Change Management kostet auch eine Menge Geld. Wir bei Procedes haben in den letzten Jahren eine 6-stellige Summe in Weiterbildungsmaßnahmen für Management und Mitarbeiter investiert.“
Zusammen mit einer modernen, wertschätzenden Führungskultur haben die Automatisierungs- und Digitalisierungsmaßnahmen bei Procedes dazu geführt, dass das Unternehmen derzeit keine Probleme mit einem Mangel an Fachkräften hat. „Wir haben viele Mitarbeiter im Kundenservice und in der Verwaltung, die ganz oder teilweise aus der Ferne arbeiten“, sagt Beilken.
Jeder Schritt des Arbeitsablaufs, z.B. digitales Schneiden, wird in der Software abgebildet. Bildnachweis: Procedes.

Verwenden Sie Standardsoftware für den Textildruck
Die Ausgangspunkte für die Digitalisierung bei Procedes waren Insellösungen mit Standardsoftware, zum Beispiel von Durst, Caldera oder Enfocus. Daraus entstand zunächst „Traffic Light“, eine Software, die in der Produktion und von den Mitarbeitern des Kundendienstes eingesetzt wurde. Vor zehn Jahren dokumentierte sie lediglich den Bearbeitungsstand eines Projekts. Heute ist der gesamte Produktionsprozess über den selbstentwickelten Projektmanager digitalisiert.
Procedes verfügt nun auch über eine eigene Abteilung, die sich um die Wartung und Weiterentwicklung der hauseigenen Automatisierungslösung kümmert. „Wir nutzen die APIs moderner Standardsoftware und kombinieren sie mit Javascript und anderen Lösungen, um einen komplexen Workflow mit eigenem Frontend zu schaffen. „Das reicht heute von der Angebotserstellung und der Überprüfung der Kundendaten bis hin zur Produktion, Weiterverarbeitung und Logistik“, erklärt Beilken. Bis heute hat das Unternehmen eine 7-stellige Summe in Software und Programmierleistungen investiert.
Um zu verhindern, dass die Software zu unübersichtlich wird, ist die Anzeige rollenbasiert. Das bedeutet, dass z.B. die Näherinnen nur ihre nächsten Aufträge sehen können, die Logistikmitarbeiter aber genau wissen, welche Pakete heute das Haus verlassen müssen. Es gibt eine Produktionskontrolle, aber auch klassische MIS/ERP-Ansichten. Sogar die Nachkalkulation oder Produktentwicklung kann mit den so gesammelten Informationen rationalisiert werden. „Wir planen, in Zukunft verstärkt künstliche Intelligenz für die Datenanalyse einzusetzen“, sagt er.
„Wir arbeiten in der Produktion durchweg in bis zu drei Schichten pro Tag“, sagt Alexander Beilken. „Eine Bestellung wird nach Möglichkeit morgens gedruckt und am späten Nachmittag verpackt. Das bedeutet, dass wir wenig Lagerplatz benötigen und den Kunden immer sofort sagen können, wo sich ihre Bestellung befindet. Schließlich verkaufen wir bei Procedes nicht nur Drucke, sondern vor allem die Sicherheit, dass sie zur richtigen Zeit am richtigen Ort für den Kunden sind.“
Sublimations- und UV-Drucke werden in Lemwerder hergestellt, z.B. mit dem Durst P5 510. Bildnachweis: Procedes.

Automatisierung der Produktion
Ein solch konsequent digitalisierter Arbeitsablauf erfordert jedoch mehr als nur Software. Textildruckaufträge für Europa werden in Lemwerder und Köln produziert. Andere Standorte der Gruppe haben sich zum Beispiel auf den Plattendruck oder die Werbetechnik konzentriert. Für Textilien wird ausschließlich der Sublimations- oder UV-Direktdruck eingesetzt. Die Produktion findet auf robusten Industriemaschinen mit einer Druckbreite von bis zu fünf Metern statt.
„Wir konzentrieren uns auf unsere Standardmaterialien, die wir in großen Mengen kaufen können. Das bedeutet, dass wir nur wenig Zeit für Rollenwechsel benötigen und die Einstellungen bei der Weiterverarbeitung nur selten geändert werden müssen. Unsere Druckerzeugnisse sind konsequent für unsere eigenen Keder- und Rahmenprofile optimiert. Viele unserer Kunden verwenden diese schon seit Jahren für ihre Messestände. Das trägt auch dazu bei, den ökologischen Fußabdruck im Messebau zu verringern.“
Digitalisierung in Deutschland? Sie findet statt!
Es ist erstaunlich, dass die Kombination aus Automatisierung und Digitalisierung bei Procedes so gut funktioniert. Deutschland und seine Mitarbeiter gelten als eher skeptisch gegenüber digitalen Prozessen. „Ich habe den Eindruck, dass das oft daran liegt, dass die Erwartungen des Teams nicht erfüllt werden und die Software zu sehr an die eigenen, nicht standardisierten Prozesse angepasst wird“, sagt Alexander Beilken.
„Wenn Automatisierung und Digitalisierung dazu führen, dass Arbeitsprozesse verdichtet werden, Mitarbeiter entlassen werden oder ein Arbeitsablauf einfach nicht mehr funktioniert, dann erzeugt das Widerstand. Konsequentes Veränderungsmanagement und eine positive Unternehmenskultur, in der jeder Mitarbeiter wertgeschätzt wird, tragen zum Erfolg von Automatisierung und Digitalisierung im Textildruck bei.“
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