Frank Piller von der RWTH Aachen spricht über die Entwicklung der Mass Customization, von den Online-Versuchen der 90er Jahre bis zur heutigen KI-gesteuerten Revolution. „Smart Customisation“ nutzt KI, um personalisierte Produkte zu entwerfen, während Influencer Nischenmärkte vorantreiben. Generative KI ermöglicht Mikro-Segmentierung und „Persona of One“-Produkte, die intelligente Produkte und intelligente Fertigung für ultimative Personalisierung zusammenführen.

Ich freue mich sehr darauf, bei der nächsten Ausgabe der Personalisation Experience Conference, die jetzt SmartHub Conference heißt, zu sprechen (am 6. Mai in Berlin). In meinem Vortrag werde ich über die Vielschichtigkeit der Mass Customisation im Zeitalter der künstlichen Intelligenz sprechen. Dies ist auch eine großartige Gelegenheit, meine Erfahrungen in diesem Bereich zu reflektieren, die ich in den letzten 30 Jahren gesammelt habe. Angefangen hat alles mit meiner Doktorarbeit in den späten 1990er Jahren über die Bedeutung des Internets für die industrielle Fertigung – ausgelöst durch die Faszination, die das Angebot von Levi Strauss an maßgeschneiderten Jeans für 60 Dollar auslöste. Heute erlebt die Mass Customization durch Fortschritte in der KI einen Aufschwung und birgt enormes Potenzial für die Zukunft.

Die Entwicklung der Mass Customisation

Ich erinnere mich noch gut an die Anfänge der Mass Customization in den 1990er Jahren, als Unternehmen wie Procter & Gamble (reflect.com), Nike (Nike ID) und Adidas (Mi Adidas) versuchten, online einzigartige Wertangebote zu schaffen, die über die traditionellen Vertriebskanäle nicht möglich waren. Die Idee war, den Verbrauchern die Möglichkeit zu geben, Produkte online nach ihren Wünschen zu gestalten und dabei flexible Produktionssysteme zu nutzen.

Seit dieser Zeit können wir zwischen verschiedenen Stufen der Anpassung unterscheiden:

  • Ästhetische Anpassung: Dabei geht es um die Anpassung des Aussehens eines Produkts, z. B. der Farbe oder des Designs. Das ist oft eine Herausforderung, denn die Verbraucher sind nicht immer die besten Designer. Eine interessante aktuelle Entwicklung ist jedoch die Rolle von Influencern, die Produkte entwerfen und sie an ihre Anhänger verkaufen, wie ich weiter unten erläutern werde.
  • Funktionale Anpassung: Diese Stufe zielt darauf ab, die Funktionalität eines Produkts an individuelle Bedürfnisse anzupassen. Dies ist der Standard für Industriegüter. Aber auch die Personalisierung des Geschirrs für ein kleines Restaurant durch fortschrittlichen Digitaldruck ist funktionale Anpassung, da sie die Marke und die Atmosphäre des Restaurants verstärkt.
  • Innovation für Endverbraucher: Dazu gehört die Entwicklung von Verbraucher-Toolkits, die es führenden Kunden ermöglichen, wirklich neue Produkte zu entwickeln und den Lösungsraum zu erweitern, den der Hersteller ursprünglich nicht in Betracht gezogen hat.

Die Revolution durch künstliche Intelligenz und den Einfluss von Influencern

Heute sehe ich in der künstlichen Intelligenz (KI) und dem maschinellen Lernen den Weg, um die Mass Customization auf eine neue Ebene zu bringen. Durch die Analyse von Datenspuren, die Verbraucher online hinterlassen, könnte KI in Zukunft perfekt zugeschnittene Produkte für Einzelpersonen entwerfen, ohne dass diese aktiv mitwirken müssen. Wir nennen das „Smart Customisation“, bei der Algorithmen zum Beispiel auf der Grundlage eines Instagram-Profils besser wissen könnten, welches Traumhemd oder -kleid am besten passt.

Eine damit verbundene, ebenso spannende Entwicklung ist das aufkommende Business-to-Influencer-to-Consumer-Modell. Plattformen wie Zazzle, Lulu oder Spreadshirt ermöglichen es Influencern und Nischenmärkten, ihre eigenen Designs zu entwerfen und sie an ihre Communities zu verkaufen, unterstützt durch digitale und effiziente flexible Produktionssysteme. Die Marktkenntnisse der Influencer in ihren lokalen Märkten und Nischen sind hier der Schlüssel zum Erfolg. Durch den Einsatz generativer KI könnte dieses Modell noch weiter skaliert werden, indem es die Designprozesse unterstützt.
Es gibt auch die interessante Idee, generative KI zur Erstellung digitaler Zwillinge von Verbrauchersegmenten zu verwenden, was eine viel feinere Segmentierung des Marktes ermöglicht. Anstelle einiger weniger großer Segmente könnten Hunderte von Mikrosegmenten entstehen, die sich nur geringfügig in ihren Präferenzen unterscheiden. Piller sieht hier die Möglichkeit einer „Persona of One“, bei der z.B. ein Hemdenhersteller die Social Media-Profile seiner Kunden analysieren kann, um ein perfekt passendes Hemd zu entwerfen. Er hält diese Idee für brillant und sieht darin einen klaren Unterschied zur traditionellen Marktforschung.

Intelligente Produkte und Personalisierung

Ein wichtiger aktueller Trend ist die Entwicklung von intelligenten Produkten, die eine Individualisierung durch das Produkt selbst ermöglichen. Beispiele hierfür sind Smart Home-Anwendungen, die die Beleuchtung und andere Funktionen an die individuellen Vorlieben anpassen – eine echte digitale Personalisierungslösung.

Seit mehreren Jahren fordere ich die Integration von intelligenten Produkten und intelligenter Fertigung (z.B. fortschrittlicher Digitaldruck oder 3D-Druck) in ein ganzheitliches Konzept. Heute sind das in den meisten Unternehmen (und Strategien) immer noch zwei Silos. Aber aus der Sicht des Verbrauchers erreichen sie das Gleiche: Sie geben den Nutzern das, was sie wollen, und zwar auf eine wirklich individuelle Weise. Dies ist eine der großen ungenutzten Möglichkeiten in diesem Bereich!

Schlussfolgerung: Eine dynamische Zukunft

Nach 30 Jahren ist die Mass Customization immer noch ein wachsender und sich verändernder Bereich. Die generative KI ist die jüngste und potenziell revolutionärste Ergänzung dieser Entwicklung. Von „smarter Customisation“ über die Unterstützung von Influencern bis hin zur Schaffung stark segmentierter Märkte und personalisierter Produkte durch generative KI – die Zukunft der Individualisierung und Personalisierung ist dynamisch und vielversprechend. Die Zusammenarbeit zwischen Menschen und KI wird eine zentrale Rolle dabei spielen, die Bedürfnisse der Verbraucher auf immer präzisere und effizientere Weise zu erfüllen.

Ich freue mich darauf, diese und weitere Trends auf der FESPA Personalisation Experience Conference am 6. Mai in Berlin zu diskutieren!

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